Vor dem Sturm
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Horst Willenberg
Essen und Bielefeld
* 1954
Künstlerisch tätig seit 1968
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Die Ruhe vor dem Sturm

Immer wenn Musik uns sprachlos werden lässt erreichen wir einen sehr ursprünglichen Ort.

Sind sich Tiere ihrer selbst nicht bewusst und erst Menschen zur Selbsterkenntnis fähig? Tiere hätten keine Gefühle – ich bezweifele sehr, dass Gefühle zu erleben von allen Lebewesen den Menschen vorbehalten sei. Gleichsam liegt es mir fern Viren Emotionen anzudichten. Zu jedem Spiel gehört es auch mehr oder weniger Gefühlen Ausdruck zu geben. Durchdachte Gefühle sind die Basis emotionalen Handelns. Die Entdeckung, dass erlebte Gefühle von außen ausgelöst werden. Die Erschaffung eines Ausdrucksapparates, der Emotionen mit Reaktionen verknüpfen kann. Modelle zu entwerfen und zu bewerten sowie sich darüber einander mitzuteilen bedarf einer abstraktionsfähigen Sprache. Musik ist insofern keine Sprache im klassischen Sinn, da sie Allesmögliche nur nicht sich selbst beschreiben kann. Jeder Ton, jede Melodie lässt ein zu breites Spektrum an Deutungen offen.

Sprache wurde auch geschaffen um bspw. über Tanz und Musik zu kommunizieren. Sprache ermöglicht Metabeschreibungen beliebiger Objekte, auch ihrer selbst. Alle Kunst war ursprünglich Handwerk. Was ist der Nullpunkt der Evolution der Musik? Wirklich Stille?

Die Geräuschkulisse prasselnden Regens, aus einem Hohlkörper wahrgenommen, erzeugt anheimelnde Gefühle, da wir damit Beschütztsein assoziieren. Plötzlich eintretendes, massenhaftes, erst sehr leises, dann schnell lauter werdendes vielfältiges Getrampel eröffnet aber schon Alternativen: sind wir es, vor dem geflüchtet wird, wenn nicht, wovor wird geflüchtet und, ganz wichtig, sollten wir uns nicht besser selbst auf die Hufe machen?

Meines Erachtens haben wir die Künste erfunden/entdeckt, um uns unsere Träume zu erzählen. Pantomime und Musik, Tanz und Malerei, jede Art von Modellierung war anfangs als Handwerk gedacht, den von Erinnerungen an die Träume belasteten Alltag zu bewältigen. Die den Träumen innenwohnende Abstraktion der Gefühle schuf das Bedürfnis nach Sprache, aber noch nicht sie selbst. Meint der Pantomime in einem gespielten Gewitter den Blitz oder den Donner, das Feuer vom Einschlag im Baum?

Sofern eine Melodie harmonisch erscheint, verbinden sich mit ihr wahrnehmungsauslösende Empfindungen. Die Mathematik rechnet uns die Menge erzeugbarer Melodien anhand von Harmonieregeln vor und wir wissen, eine weitaus kleinere Menge kann als epochal neue Musik empfunden werden.

Sprache erlaubt, Künste zu analysieren. Kunst erlaubt, Sprachen zu erschaffen.

(2.3.2011)