Macht der Feder
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Horst Willenberg
Essen und Bielefeld
* 1954
Künstlerisch tätig seit 1968
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Die Macht der Feder

Schrift ist mehr als in Form gegossene Sprache. Zwar fehlt der Schriftsprache Mimik und Gestus des gesprochenen Wortes, aber in der Schriftsprache stehen neben Wortwahl, Satzbau, Stil, Grammatik, Semantik und Rhetorik noch Gestaltung bzw. das Layout zur Verfügung.

Es wäre ein Flüchtigkeitsfehler, die Lautmalerei des geschriebenen Wortes zu übersehen. Die Schriftsprache ist fähig einen Tonfall zu formen. Schriften, in denen es gelingt, angewandte Lautmalerei mit der beschriebenen Stimmung übereinstimmen zu lassen, durchdringen am nachhaltigsten. Das angestrengt gedachte, das aufmerksam gelesene Wort schwingt mit.

Denken ist stets Selbstgespräch, Selbsterkundung. Die Schriftsprache ermöglicht die eigenen Erkenntniswege je nach Gemütslage kundzutun und zwingt, Denkbahnen als wiederholbar zu erkennen. Schreiben wird zur Gratwanderung zwischen Selbstoffenbarung und Heuchelei, uneingestandener Überzeugung und beabsichtigter Überzeugungskraft.

Die Schriftsprache stellt die Tastversuche im Irrgarten der Erkenntnisse der Leserschaft zur Gegenprobe bereit, ohne die Maßstäbe, die ein Dialog erfordert. Verantwortlichkeit für das Geschriebene ist weitaus gravierender als für ausschließlich gesprochene Worte. Die Schriftsprache nimmt die Flüchtigkeit. Schrift lebt vom Bezug auf die Sprache. Sprache bezieht sich auf ein Gegenüber. Kommunikation ist Resonanz.

Die Beschaffenheit der Medien kann die Bedeutungen verzerren, verdrehen, spiegeln, durch Gegensätze aufheben oder durch Gleichklang verstärken – letzten Endes ist auch die Schrift ein Nachhall jener Sinne, die Sprache ermöglichen. Erkenntnisse sind Essenzen von Gedankenspielen und Kenntnisnahmen. Erkenntnis ist die Erfahrung der Gesamtheit der Sinne.

Das Wort steht weder am Anfang noch am Ende. Das Wort ist Ausdruck der Erkenntnis, ob gezeigt, getanzt, gesprochen oder geschrieben. Dieser Ausdruck ist niemals sinn-los, höchstens sinn-fern. Das auf die Sinnlichkeit der Begriffe aufgebaute Schriftstück ist nicht automatisch das Zugänglichere und dem Unausgesprochenen näher.

(1996 / 2012)