Parallelgesellschaft Wissenschaftsbetrieb
Auf die Frage, ob der Arbeitstitel „Parallelgesellschaft Wissenschaftsbetrieb“ nicht etwas weit hergeholt sei, antwortete der Autor Werner Vombusch in seiner nicht allen genehmen Offenherzigkeit:
„Müssen wirklich Beweise aufgefahren werden, um die Heilkunde als älteste aller Wissenschaften anzuerkennen? Und welche Zweifel könnte es geben, dass eine solche Macht, heilkundig zu sein, mittels Gebräuche wie Blutlinien, Klassenbewusstsein und / oder Ältestenrat Wahlen usw. in selbstisolierender Abschottung von Anbeginn ritualisiert wurden? Somit dürfen wir, meiner Ansicht nach, annehmen, dass die Parallelgesellschaft Wissenschaftsbetrieb von Anfang an als solche konzipiert war und agitierte. Die Frage lautet nicht, wann wurde der Wissenschaftsbetrieb zur Parallelgesellschaft, sondern hatte die Parallelgesellschaft Wissenschaftsbetrieb je eine Chance, ein offener Bestandteil der öffentlichen Gemeinschaft zu werden? Nein! – werden wir beim Prüfen des geschichtlichen Ablaufs feststellen. Mehr noch, dass in diesem Zusammenhang vielbeschworene Internet verfestigt mit seinen strukturverstärkenden Eigenschaften die Parallelgesellschaft Wissenschaftsbetrieb.“
Diesen Bogen, vom Schamanen zum international, interdisziplinär vernetztem Wissenschaftsbetrieb nachzuzeichnen, die Schwächen, Befreiungsversuche vom Joch des Kapitals und die anhaltenden Niederlagen, zu benennen und zu begründen, gelingt Werner Vombusch nahezu erschreckend einfach. Den Schilderungen, Religionen, insbesondere in der menschlichen Frühzeit, als eine Art offen auftretende Geheimlogen der Machthabenden zu betrachten, fügt Vombusch hinzu:
„Seit Jahrhunderten kämpfen die Religionen um die Definitionsmacht der drei Lebensfragen der Menschheit: Woher kommen wir? Wer sind wir? Wohin gehen wir? Aber, auch wenn alle Religionen vom Äußeren her mehr oder weniger unvereinbare Unterschiede haben, bleibt festzustellen, dass gerade die aus religiösen Prinzipien abgeleiteten Moralvorstellungen das Fundament für die Grundlagen heutiger Ethiksysteme bilden.“
Theoretisch hätte es auch anders laufen können, räumt Werner Vombusch ein, um gleichfalls nochmals zu betonen: „Der Wissenschaftsbetrieb hat sich viele Jahrhunderte lang nicht von den Religionen abgrenzen können, weil der Wissenschaftsbetrieb ursprünglich unentrinnbar verzahnt war, zwischen der Macht der Verwaltungsstrukturen und Glaubenssysteme.“
Im Weiteren räumt Vombusch viel Zeit, Material und Raum ein, mit welchen Mitteln der Wissenschaftsbetrieb isoliert und manipuliert wurde. Isoliert beispielsweise durch die Einrichtung der Universitäten. „Es hatte etwas Absurdes an sich“, legt Werner Vombusch dar, „dass Forschung und Lehre in den Klöstern mehr Freiheiten genossen, jedenfalls bevor die inquisitorischen Jahrhunderte begannen, Universitäten aber von Anfang an unter monetären Zwängen standen. Anfangs des adeligen Mäzens, später bis dato von den kaufmännischen Interessen der Städte und ihrer Gilden, heute Verbänden. Nur leider lehrt uns die Geschichte, dass der Wissenschaftsbetrieb das Heraustreten aus der Anonymität, das Ende des geheimbündlerischen Verhaltens, durch eine neue Strategie der Abschottung ersetzte.“
Die offizielle Einsetzung einer toten Sprache (Latein), als auch die Beherrschung des Altgriechischen schufen schon in den Klöstern unüberbrückbare Distanzen zum gewöhnlichen Volk. Neben den Palästen und Kathedralen wuchsen Universitäten vielerorts heran, neue Ghettos, prunkvolle Ghettos. Vombusch ist es ein dringliches Anliegen, an dieser Stelle festzuhalten, dass die Beschreibung des Wissenschaftsbetriebs als Parallelgesellschaft weder unangebracht noch neu sei. Nicht zu vergessen der lange Weg vom Altertum bis ins 20. Jahrhundert, auf dem der Wissenschaftsbetrieb nur den herrschenden Verhältnissen anstatt den verelendenden Massen zuarbeitete. Und ein solches Erbe lässt sich mit 20 Jahren Talkshows nicht ausräumen. Des Weiteren beschreibt und bemängelt Werner Vombusch die Handhabung dreier Sachverhalte aufs Schärfste.
Reputation – Aufklärung – Zivilcourage
Die Zusammenfassungen seiner jeweiligen Ausführungen:
„Reputation ist an sich eine Art Gradmesser des Ansehens einer Person, gemäß ihrer Gewichtigkeit im kollegialen Vergleich ihrer Forschungsergebnisse. Nur leider sehen wir es viel zu oft als Waffe eingesetzt.“
„Aufklärung tut not, denn der Mehrheit der Öffentlichkeit ist unklar, was Volkswirtschaft, Soziologie oder Bioinformatik lehren oder gar im Alltag bewirken.“
„Zivilcourage wäre normalerweise keine gesonderte Herausforderung an den Wissenschaftsbetrieb, wenn nicht eben dort Zivilcourage im verstörenden Umfang fehlte. Beispiel Asphaltkleber: Während die Politik im Einklang mit den lautesten Wutbürgern Militanz zur Schwerstkriminalität erhebt, schaut die geisteswissenschaftliche Sparte des Wissenschaftsbetriebs nahezu peinlich berührt weg. Nicht weniger unangenehm das Schweigen der naturwissenschaftlichen Sparte gegenüber den Klimaleugnern in ihren eigenen Reihen, das schlimmstenfalls übertroffen wird von den vor Kreationisten einknickenden Gerichten und Staatsverwaltungen.“
Wohin soll’s gehen, könnte das Werk „Parallelgesellschaft Wissenschaftsbetrieb“ von Werner Vombusch zusammengefasst werden. In diesem Sinne seine Schlussworte:
„Das Internet ist wahrlich kein friedvoller Ort, doch ein Strukturverstärker ohnegleichen. Aber nicht Science-Slams, keine Talkshows, keine Foren und keine Podcasts werden die notwendige Vernetzung allgemeinverständlicher Informationen zu den brisanten Themen unserer Zeit ersetzen können. Und ja, neue, bessere Bildungswerke sind vonnöten. Zum Beispiel muss ein Bildungsziel jeder wissenschaftlichen Ausbildung darin bestehen, Wissen-schaffende Menschen auszubilden, die in der Lage sind, ihre Wissenschaft populärwissenschaftlich aufzubereiten. Die gesetzlich durchgesetzte Verweltlichung des Bildungsbereichs ist inzwischen unabdingbar, in Anbetracht der weltweit zunehmenden Angriffe aus Glaubensgründen auf wissenschaftliche Erkenntnisprinzipien an sich. Andererseits sollten zügig Abwehrstrategien gegenüber Fakes, technischen wie informationellen, entwickelt werden. Dies alles kann nur geschehen, wenn aus der Parallelgesellschaft Wissenschaftsbetrieb alsbald ein öffentlicher Marktplatz des Wissens wird.“
(Bielefeld, 27.10.2023)
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